Rheinmetall: Die Luft wird dünner

Rheinmetall Die Luft wird dünn

Was lange undenkbar schien, ist inzwischen Realität: 25 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges erleben wir eine sicherheitspolitische Zeitenwende – geprägt von massiver Aufrüstung und wachsendem geopolitischem Misstrauen.

NATO als treibende Kraft

Treibende Kraft dieser Entwicklung ist die NATO selbst – das größte Militärbündnis der Welt. Unter ihrer Führung sollen die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten bis 2035 auf 3,5 % des BIP steigen. Weitere 1,5 % sollen in sicherheitsnahe Infrastruktur fließen, etwa in Cyberabwehr, den Schutz kritischer Systeme sowie den Ausbau von Straßen, Brücken und Industrieanlagen mit militärischer Nutzungsperspektive.

Die politische Stoßrichtung ist damit eindeutig: Verteidigungsfähigkeit hat höchste Priorität – unabhängig davon, ob eine akute Bedrohung vorliegt. In Deutschland wurden dafür bereits verfassungsrechtliche Grundlagen geschaffen: Durch eine Anpassung der Schuldenbremse dürfen Verteidigungsausgaben oberhalb von 1 % des BIP künftig kreditfinanziert werden – ein haushaltspolitischer Kurswechsel mit langfristiger Tragweite.

Kein Wunder, dass eine aktuelle Studie von Global X davon ausgeht, dass die weltweiten Verteidigungsausgaben bis 2030 auf über 3,3 Bio. USD steigen werden. Ein Zuwachs von rund 40 %.

Rheinmetall wird zum Twentybagger

Zu den größten Profiteuren zählt Rheinmetall, das sowohl bei klassischer Rüstung als auch im technologiebetriebenen Bereich stark positioniert ist. Der deutsche Rüstungskonzern kommt seit Januar 2022 auf eine beeindruckende Kurssteigerung von über 2.000%. Das übertrifft sogar die Entwicklung des KI-Giganten Nvidia. Doch ist diese Rally nachhaltig?

Diese Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Rheinmetall hat seit 2022 seine Einnahmen und Gewinne vervielfacht und kann sich auch heute vor Aufträgen kaum retten. Im ersten Quartal erhöhte sich der Auftragsbestand auf über 63 Mrd. EUR (Vorjahr: 40 Mrd. EUR).

Der Konzernumsatz wuchs um 46 % auf 2,3 Mrd. EUR, während das operative Ergebnis sogar um 49 % auf 199 Mio. EUR gesteigert wurde. Das entspricht einer operativen Marge von 8,7 %. Kennzahlen, die deutlich über dem Branchenschnitt liegen. 

Neue Großaufträge in Sicht

Für Kursfantasie sorgen aktuell die massiven Investitionspläne der Bundesregierung: Das Verteidigungsministerium prüft die Beschaffung von über 1000 Kampfpanzern und Schützenpanzern im Gesamtwert von bis zu 25 Mrd. EUR. Rheinmetall soll dabei eine zentrale Rolle übernehmen – sowohl bei der Produktion als auch bei der Systemverantwortung. Der Auftrag würde nicht nur die Auslastung auf Jahre sichern, sondern auch die industrielle Basis des Konzerns erheblich stärken.

Ein weiterer Großauftrag wurde bereits an Land geholt: Ein europäischer NATO-Staat und ein weiterer internationaler Kunde bestellten Munition im Wert von mehreren hundert Mio. EUR. Die Auslieferung startet noch dieses Jahr und läuft bis 2027. Zum Einsatz kommen die Geschosse unter anderem in der Panzerhaubitze 2000, für die Rheinmetall auch das Kanonensystem liefert. Gleichzeitig arbeitet das Unternehmen an einer neuen Munition mit Reichweiten von über 155 Kilometern.

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Artillerie wird zur neuen strategischen Säule

Damit entwickelt sich Artillerie zunehmend zur strategischen Säule innerhalb des Produktportfolios, neben gepanzerten Fahrzeugen, Lenkflugkörpern und digitaler Gefechtsführung. In den vergangenen Monaten meldete Rheinmetall bereits einen Anstieg des Artillerieabsatzes um 66 % auf knapp 600 Mio. EUR – ein Trend, der sich weiter fortsetzen dürfte.

Die Kapazitäten zur Munitionsproduktion werden europaweit ausgebaut, auch in Süditalien entsteht ein neues Werk. Parallel prüft Rheinmetall Standorte in Osteuropa, um die logistische Nähe zu NATO-Grenzstaaten zu verbessern.

Wir müssen und werden liefern. Dabei erleben wir ein Wachstum, wie wir es im Konzern noch nie hatten, und kommen unserem Ziel, ein globaler Defence-Champion zu werden, näher. […] Mit dem Bau neuer Werke und strategischen Akquisitionen weiten wir unsere Kapazitäten außerdem massiv aus“, so Rheinmetall-Chef Achim Papperger.

Starke Aussichten, aber hohe Bewertung

Angesichts dieses operativen Rückenwinds halte ich in den nächsten fünf Jahren ein durchschnittliches Umsatzwachstum jenseits von 30 % und ein Gewinnwachstum von über 40 % pro Jahr für durchaus realistisch. Doch selbst in diesem Szenario bleibt die aktuelle Bewertung von Rheinmetall mit einem erwarteten KGV von 65 (auf Basis der nächsten zwölf Monate) ambitioniert.

Entscheidend wird sein, ob Rheinmetall die Investitionen in Fertigung und Innovation rasch in steigende Cashflows umwandeln kann. Andernfalls droht bei nur leicht enttäuschenden Zahlen eine ausgedehnte Korrektur.

Risiken durch Handelskonflikte

Hinzu kommt die politische Unsicherheit: Unter der Trump-Administration steigt der Druck auf europäische NATO-Staaten, vermehrt auf US-Rüstungssysteme zurückzugreifen. Gleichzeitig verfolgt die EU mit dem „Buy European“-Prinzip das Ziel, öffentliche Rüstungsaufträge stärker innerhalb Europas zu vergeben – ein strategischer Konflikt, der die Märkte zunehmend prägt.

Für Rheinmetall ergibt sich daraus eine doppelte Herausforderung. Als europäischer Anbieter profitiert das Unternehmen zwar grundsätzlich von der EU-Strategie, die auf technologische Unabhängigkeit von Drittstaaten abzielt. Gleichzeitig baut Rheinmetall sein US-Geschäft massiv aus – unter anderem im Rahmen milliardenschwerer Ausschreibungen zur Modernisierung von Kampf- und Schützenpanzern.

Der aktuelle politische Kurs in Washington, der klar auf nationale Industrieinteressen ausgerichtet ist, verschlechtert die Aussichten europäischer Anbieter im US-Markt  und damit auch die Perspektiven für Rheinmetall.

Erhöhtes Rückschlagpotenzial

Ich investiere aus persönlichen Gründen seit Jahren nicht mehr in Rüstungsunternehmen. Für mich steht der gesellschaftliche und ethische Kontext im Vordergrund, unabhängig von Kurschancen. Das ist jedoch eine individuelle Haltung, die jeder für sich selbst treffen muss.

Faktisch bleibt Rheinmetall einer der Hauptprofiteure der aktuellen geopolitischen Lage. Das Unternehmen ist operativ stark aufgestellt, verfügt über volle Auftragsbücher und erweitert gezielt sein internationales Geschäft. Der langfristige Aufrüstungstrend in Europa und weltweit dürfte den Konzern auf Jahre hinaus tragen.

Allerdings spiegeln sich die positiven Entwicklungen bereits weitgehend im Kurs wider. Selbst ohne operative Enttäuschung halte ich eine Korrektur für überfällig. Für mich ist Rheinmetall aktuell eine Halteposition – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Realist

    Werde nie verstehen, dass man Rüstungsunternehmen als „gesellschaftlich und ethisch“ problematisch sehen kann. Ohne Rüstungsindustrie kein Gleichgewicht der Mächte, ohne ausreichend starke Rüstungsindustrie ernet man Krieg und Vernichtung. Etwas anderes zu glauben halte ich für höchst naiv und faktisch tausendfach widerlegt. Ein gutes Gewissen schafft keinen Frieden, ein Messer, was man wenn nötig, dem Aggressor an die Kehle halten kann, dagegen schon. Würde meine Kinder nie in einer wehrlosen Gesellschaft aufwachsen sehen wollen

    1. Emil Jusifov

      Vielen Dank für diese wertvolle Rückmeldung!

      Wie ich im Fazit schon geschrieben habe, will ich niemandem meine Meinung aufdrängen. Ich habe selbst gedient und weiß, dass Frieden oft nur dann hält, wenn man sich im Ernstfall auch verteidigen kann – gute Absichten allein reichen da nicht. Genauso ist mir bekannt, dass tödliche Waffen nicht nur Gutes auf dieser Welt bezwecken.

      Ich persönlich kann es daher nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, in klassische Rüstungsunternehmen zu investieren. Zum Glück gibt es viele andere starke und zukunftsorientierte Branchen – etwa Cybersecurity-Anbieter, die ebenfalls zur Sicherheit beitragen.

      Gerade bei Finanzentscheidungen gibt es selten ein klares Richtig oder Falsch – vieles hängt von persönlichen Werten und Prioritäten ab.

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