Robert Zach: Die Wetten auf eine Rezession nehmen zu

Robert Zach ist leitender Analyst und Redakteur bei Investing.com Deutschland. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Banken- und Investmentbranche und ist ein ausgewiesener Experte für strategische Marktanalysen.
Für Cashflow Profi hat er exklusiv einen aktuellen Marktkommentar verfasst. Darin beleuchtet er die jüngsten Entwicklungen an den Finanzmärkten und zeigt auf, welche Chancen und Risiken Anleger jetzt im Blick behalten sollten:
Robert Zach: Die Risiken nehmen zu
Die Unsicherheit ist auf einem Rekordhoch
Zwar haben wir noch keine alarmierende Ausweitung der Spreads erlebt, aber die Tendenz geht in eine Richtung, die zumindest Vorsicht nahelegt. Schließlich spiegeln diese Aufschläge wider, wie stark Anleger eine höhere Vergütung verlangen, um ein potenziell steigendes Ausfallrisiko zu kompensieren. Steigt dieses Misstrauen – und damit der Risikoaufschlag – erst einmal spürbar an, kann das natürlich auch für Aktien zum Problem werden.
Unternehmen mit mäßiger Bonität oder hoher Verschuldung geraten dann rasch unter Druck, weil Refinanzierung teurer wird, Investitionsspielräume schrumpfen und die Earnings ins Wanken geraten können. Vor allem letzteres wird immer wichtiger, denn auch nach der jüngsten Entspannung im Zollstreit ist die wirtschaftspolitische Unsicherheit weltweit auf einem Rekordhoch.
Die Wetten auf eine Rezession nehmen zu
Obendrein haben die Wetten auf eine Rezession in den USA in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen. Selbst nach der jüngsten Zollentspannung liegt die Wahrscheinlichkeit laut Polymarket immer noch bei über 50 %. Und wenn eines sicher ist, dann das: Wenn die Wirtschaft kippt, dann kippen auch die Unternehmensgewinne und entsprechend werden die Multiples angepasst, die Investoren für den Index zu zahlen bereit sind.
Erholung bis 5.700 Punkte?
In diesem Umfeld lohnt sich auch ein Blick auf die technische Seite. Beim S&P 500 befindet sich der gleitende Durchschnitt der letzten 200 Handelstage momentan in der Zone um 5.700 Punkte. Meine Einschätzung ist, dass wir in den kommenden Tagen oder wenigen Wochen durchaus eine Erholung bis dorthin sehen könnten – vielleicht sogar einen kräftigen Sprung, wenn irgendein „guter“ Newsflow kurzfristig weiter Optimismus entfacht.
Ich würde mich davon aber nicht blenden lassen. Meiner Erfahrung nach reißen solche technischen Rallys die meisten Anleger zunächst begeistert mit. Erst wenn die Kurse dort abprallen und wieder drehen, merkt man, dass das fundamentale Risiko, unter anderem wegen steigender Credit Spreads und konjunktureller und zollbedingter Unsicherheit, keineswegs verschwunden ist.
Nicht blind hinterherlaufen
Gerade in der jüngeren Vergangenheit haben wir gesehen, wie rasch sich die Stimmung ändern kann. Das berühmte „Sell the rally“ ist in unsicheren Phasen häufig sinnvoller als blindes Hinterherlaufen. Vor allem wenn man berücksichtigt, dass ein geplatzter „Basis Trade“ bei Hedgefonds jederzeit zu weiteren Zwangsliquidationen führen kann.
In hochgehebelten Strategien reichen nämlich oft bereits wenige Prozent Gegenbewegung am Bondmarkt, um Margin Calls auszulösen und eine weitere Verkaufswelle loszutreten. Das wiederum drückt Kurse weiter und zieht andere Marktteilnehmer mit nach unten. Solche Self-Fulfilling Prophecies haben wir schon mehrfach gesehen – man denke nur an das LTCM-Debakel der späten 90er-Jahre oder das „Dash For Cash“ während des Corona-Schocks.
Powell Industries: Qualität in unsicherer Zeit
Trotz meiner derzeit eher skeptischen Grundhaltung gibt es immer wieder interessante Titel. Ein Kandidat, den ich für spannend halte, ist Powell Industries. Das Unternehmen registrierte 2024 ein beachtliches Umsatzplus von 45 % und kommt auf komfortable Margen von knapp 18 % – Tendenz steigend.
Breite Kundenbasis
Besonders angetan bin ich von der breit gefächerten Kundenbasis, die von Öl- und Gasproduzenten über Petrochemie bis hin zu Betreibern von Rechenzentren und Versorgern reicht. Diese Vielfalt verschafft Powell eine gewisse Unabhängigkeit von einzelnen Branchenzyklen. Obendrauf: Powell sieht sich gut gewappnet für Trumps Zolloffensive gegen Kanada und China .
Positiv fällt zudem ins Gewicht, dass das Unternehmen schuldenfrei ist und einen soliden Auftragsbestand von 1,3 Milliarden US-Dollar vorweisen kann. In einer Marktphase, in der Finanzierungskosten hartnäckig hoch bleiben und viele Firmen durch wachsende Schuldenlast wackeln, ist das definitiv ein Vorteil.
Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass Powell Industries kein sicherer Hafen ist. Auch ein solches Qualitätsunternehmen kann sich einem heftigen Marktabverkauf nicht entziehen, falls die Angst erst richtig um sich greift. Sollte allerdings ein generelles Börsengeschehen Powell unverdient stark nach unten ziehen, wäre das für mich persönlich ein interessantes Szenario, um weiter aufzustocken – vorausgesetzt, es hat sich an der Substanz des Unternehmens nichts geändert.
Vorsichtig bleiben, Chancen nicht verpassen
Per Saldo: Ich bleibe kurz- bis mittelfristig eher skeptisch, vor allem, weil die Credit Spreads für mich die realistische Einschätzung der Marktteilnehmer widerspiegeln. Wenn sie sich ausweiten, zeigt das, dass sich die Hoffnung vieler auf ein rasches Ende der Unsicherheit eben nicht bewahrheitet.
Ein temporärer Anstieg des S&P 500 bis an die 5.700er-Region ist für mich dennoch nicht ausgeschlossen. Dort verläuft die 200-Tage-Linie, die oft eine psychologische Barriere bildet. Ob diese Rally sich dann als nachhaltig erweist oder zum nächsten raschen Einbruch führt, hängt in meinen Augen stark davon ab, ob die Liquiditätslage stabil bleibt, die Fed deutlicher Bereitschaft zum Handeln signalisiert und keine größeren Zwangsliquidationen auftauchen.
Inmitten all der Fragezeichen finde ich Powell Industries interessant, weil es mit Wachstum und finanzieller Stärke gegen den Strom schwimmt. Selbst während des jüngsten Abverkaufs auf dem breiten Markt konnte sich die Aktie recht stabil halten. Für einen langfristig orientierten Investor kann das ein ansprechendes Chance-Risiko-Verhältnis darstellen, sobald sich die Kurse nach unten korrigieren oder zumindest auf einem faireren Niveau einpendeln.
Dennoch gilt für mich unverändert: Liquidität vorhalten, häppchenweise handeln und nicht das gesamte Pulver auf einmal verschießen. Wer sich in unruhigen Zeiten von Schlagzeilen und Kurzrallys leiten lässt, kann schnell auf dem falschen Fuß erwischt werden. Lieber mit kühlem Kopf agieren und fokussiert bleiben – so lassen sich schwierige Phasen an der Börse meist besser überstehen, und gleichzeitig können sich gute Gelegenheiten ergeben, von denen man in entspannteren Zeiten profitiert.
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